Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! (Jesaja 58,7)
Liebe Leserinnen und Leser,
über diese Worte des Propheten Jesaja wird oft an Erntedank gesprochen. Mir sagen sie ein Dreifaches:
Wir haben Grund zur Dankbarkeit
Gott sei Dank! Wann haben wir das so zum letzten Mal gesagt? Als es gerade noch einmal gut gegangen ist? Als ich gerade noch die Kurve gekriegt habe? Als die Sache glimpflich abgelaufen ist?
Am Erntedankfest sagen wir auch Gott sei Dank! Die Früchte, die Blumen, das Brot… Vieles verbindet sich mit menschlicher Arbeit und ist doch, weil es gewachsen und geworden ist, Gottes Geschenk. Eine Fülle vor Augen bedenken wir, womit wir beschenkt sind.
Ob mit oder ohne eigenen Garten – wir sehen und spüren an vielen Stellen eine gute Versorgung unseres Lebens. Dies ist auch in der Corona Krise wieder deutlich geworden. Wir müssen uns in dieser Hinsicht keine Sorgen machen. Wir haben alles an äußeren Dingen, was wir zum Leben brauchen.
Aber nicht nur um Essen und Trinken geht es und um gute, reiche Ernten. Dass wir Zuflucht haben unter dem Schatten seiner Flügel, dass wir wissen dürfen, wunderbar gemacht zu sein, dass wir Gottes Wort haben… das alles darf den Dank in uns und unter uns wecken.
Auf den schönen Satz von Tim Tebow stieß ich kürzlich: Ich weiß nicht, was die Zukunft bringt, aber ich weiß, wer meine Zukunft in der Hand hält. Wenn das kein Grund zur Dankbarkeit ist!
Beim Danken nicht stehen bleiben
Was uns geschenkt ist, ist nicht nur für den Eigenverbrauch oder Eigenverzehr vorgesehen. In allem liegt auch eine Verpflichtung. Israel musste das lernen. Der Prophet Jesaja hat sie daran erinnern müssen Aber nicht nur das Volk Israel brauchte diese Erinnerung. Wir brauchen sie auch. Jesaja mahnt. Er spricht sich für die Verantwortung derer, die etwas haben, denen gegenüber aus, die wenig haben. Wobei es mehr geht als um eine Neuverteilung, Umverteilung, um Nächstenliebe und Solidarität. Es geht um Teilen aus Betroffenheit heraus und Einsicht, die nicht anders kann als Menschen, die bedürftig sind, „ins eigene Haus zu führen“. Da geht es um intensive Teilnahme und Teilgabe – bis hin zur Öffnung der Privatsphäre. Solche Form von Nähe braucht Mut.
Die Notwendigkeit dazu ist auch in unserer Zeit geblieben. Es leben Hungrige unter uns. Und nicht nur materiell Hungrige. Menschen, mit vielfachen Nöten und Bedürfnissen.
Gottes Verheißung gilt den Teilenden
Es bleibt eine Aufgabe, durchzubuchstabieren, wie die Hilfe gegenüber Bedürftigen aussehen kann. Aber erstaunlich: Gott hat denen eine Verheißung gegeben, die teilen. Sie werden nicht ärmer, sondern reicher. Sie werden Freude erleben und erfüllt sein.
Solche Erfahrungen haben schon viele gemacht: Wer sich einmal aufmacht, um sein „Brot“ zu teilen, sein Haus zu öffnen, verliert nicht, sondern gewinnt.
Wir haben Grund zur Dankbarkeit. Beim Danken sollen wir aber nicht stehenbleiben. Wer mit anderen teilt, wird nicht ärmer – dem gilt Gottes Verheißung: wo geteilt wird, wächst der Dank und die Freude.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen nicht nur ein dankbares Erntedankfest, sondern ein dankbares und erfülltes Leben.
Ihr Pfarrer
Paul-Ulrich Rabe